1.3.23 |
Sehr geehrte Damen und Herren,
Aktuelle Entwürfe von zwei europäischen Verordnungen – die
Novellierung der F-Gase-Verordnung und das
PFAS-Beschränkungsverfahren im Rahmen der REACH-Verordnung –
haben das Potenzial, dass der Einsatz von fluorierten
Kältemitteln (F-Gasen) in Kälte-, Klima- oder Wärmepumpenanlagen
in kürzester Zeit sowohl in Neuanlagen als auch im Bestand nicht
mehr bzw. nur noch sehr eingeschränkt möglich sein wird. In den
allermeisten Anwendungen kommen heutzutage noch fluorierte
Kältemittel zum Einsatz. Auch wenn es vielleicht nicht so
drastisch kommen wird: Als Betreiber einer Kälte-, Klima- oder
Wärmepumpenanlage sollten Sie sich jetzt darauf vorbereiten!
Eine Anmerkung vorweg: Die hinter diesem Brief stehenden
Organisationen unterstützen voll und ganz die Ziele der derzeit
gültigen F-Gase-Verordnung, die weitere Reduzierung von F-Gasen
sowie den Einsatz natürlicher Kältemittel, wo immer es technisch
möglich und energetisch sinnvoll ist. Dieser Wandel muss jedoch
mit Augenmaß geschehen, er benötigt mehr Zeit und man darf nicht
den Blick vor der Realität verschließen
Deshalb eine dringende Bitte: Nutzen auch Sie Ihre
Kontakte zu Politikern (Land, Bund und Europa), um auf diese
großen Probleme eindringlich hinzuweisen. Nur mit gemeinsamen
Anstrengungen kann es gelingen, auf die ausschlaggebenden und
noch anstehenden Entscheidungen im Europa-Parlament und -Rat
einzuwirken. Die Zeit drängt: Das EU-Parlament wird Ende März
über die F-Gase-Verordnung abstimmen – Änderungsvorschläge
müssen bereits sieben Tage vorher eingereicht worden sein.
Einige konkrete Beispiele sollen die Auswirkungen der beiden
Verordnungen verdeutlichen: • Ein deutscher Nachrichtensender
investiert 2023 fast 1 Mio. Euro für eine neue Kälteanlage mit
F-Gasen zur Studio- und Serverkühlung, die für den Betrieb
zwingend erforderlich ist. Der Einbau entspricht allen derzeit
gültigen Verordnungen und Vorschriften. Die Anlage hätte
normalerweise eine Lebensdauer von 15 bis 20 Jahren. Ab 2024 ist
aber nicht mehr sichergestellt, dass im Fall einer
Kältemittelleckage Kältemittel nachgefüllt werden kann, was den
weiteren Betrieb gefährdet. Bis einschließlich 2029 wäre der
Service zwar noch mit aufgearbeitetem oder recyceltem
Kältemittel erlaubt. Dies ist jedoch bereits heute nur begrenzt
verfügbar und ab 2024 wird es Mangelware sein. • Vor dem
gleichen Problem steht ein Hersteller tiermedizinischer
Produkte, der 2022 sechs Split-Klimageräte mit 130 kW Leistung
zur Kühlung von Kommissionshallen eingebaut hat, eine
norddeutsche Schlachterei mit einer 2022 installierten
Kälteanlage zur Kühlung von Schlachtgut oder ein
niedersächsisches Kreiskrankenhaus, das im vergangenen Jahr zwei
Kaltwassersätze zur Kühlung eines Neubaus mit neun OP-Räumen in
Betrieb genommen hat. • Ein ähnliches Szenario gilt für
zigtausende Bäcker, Metzger und Wirte, die Kälteanlagen
benötigen – die meisten dieser Anlagen verwenden F-Gase und
viele davon haben noch eine lange Lebensdauer. Bei einem
Kältemittelverlust könnten sie nicht wieder in Betrieb genommen
werden. Anlagen mit CO2 als Kältemittel sind in diesen
Leistungsbereichen um ein Vielfaches teurer und weder
wirtschaftlich noch energieeffizient zu betreiben. Bis zum
Einbau einer solchen Ersatzanlage müsste der Betrieb stillgelegt
werden, was aufgrund von Lieferzeiten und Kapazitäten im
Kälteanlagenbau Wochen dauern würde. • Ein öffentliches
Krankenhaus befindet sich mitten in einem grundlegenden
Sanierungsvorhaben, das sich über Jahre hinziehen wird. Die
Planung ist abgeschlossen, alle Aufträge sind erteilt, erste
bauliche Umbaumaßnahmen sind bereits im Gange, eine große neue
Kälteanlage wird im Laufe des Jahres 2025 eingebaut. Diese wäre
jedoch vom Verbot neuer stationärer Anlagen ab 2025 betroffen
und darf dann nicht mehr installiert werden. Der Einbau einer
Alternative mit natürlichen Kältemitteln hätte Auswirkungen auf
das komplette Bauvorhaben, das umgehend gestoppt und neu geplant
werden müsste. • Umweltsimulationsanlagen kommen in der
Automobilindustrie, im Maschinen- und Anlagenbau sowie bei
zahlreichen Prüfständen zum Einsatz. Aufgrund der
Temperaturbereiche und der sicherheitstechnischen Anforderungen
ist der Einsatz brennbarer Kältemittel (Propan) nicht möglich.
Kohlendioxid als Kältemittel ist für Temperaturen unter -50 °C
nicht einsetzbar. Entwicklungsstandorte in diesen Bereichen
könnten in der EU nicht mehr, bzw. nicht mehr wirtschaftlich
betrieben werden. • Ein großer Hamburger Hotelneubau wurde
2018 aufgrund seines Anlagenkonzepts mit einem Preis für seine
Energieeffizienz ausgezeichnet. Das Hotel nutzt zur Kühlung und
Heizung ein System mit F-Gasen. Ein Ersatz durch ein natürliches
Kältemittel ist technisch nicht möglich, bzw. wäre einem Neubau
des Gebäudes gleichzusetzen. Bei einem Kältemittelverlust der
Anlage müsste das Hotel seinen Betrieb einstellen, wenn das für
die Wartung erforderliche Kältemittel nicht mehr am Markt
verfügbar ist. • Zigtausende Klimaanlagen in Hotels,
Arztpraxen, Bürogebäuden, Altenheimen Privatwohnungen etc.
könnten langfristig bei ungewollten Leckagen nicht mehr
betrieben werden, wenn kein Kältemittel mehr für Servicezwecke
zur Verfügung steht. • Anmerkung: In der Regel sind Kälte-
und Klimaanlagen hermetisch dicht. Durch Alterung von Bauteilen,
menschliches Versagen oder ungewollte Beschädigungen können
trotzdem Leckagen entstehen. Die Leckagerate liegt nach
Auswertung von über 200.000 Anlagendaten mit der
Branchensoftware VDKF-LEC bei lediglich 1,3 %. • Diese
Aufzählung ließe sich noch um unzählige weitere Anwendungsfälle
ergänzen. • Selbst wenn alle betroffenen Betreiber von
Kälte-, Klima- und Wärmepumpenanlagen finanziell dazu in der
Lage wären und es technisch möglich wäre, die vielen Anlagen auf
natürliche Kältemittel umzustellen: Es fehlen die Kapazitäten im
Kälte- und Klimaanlagenbau, um diese Umstellungen in wenigen
Jahren vorzunehmen. Nachfolgend finden Sie einige der derzeit
bekannten und möglicherweise auch so kommenden Verbote und
Beschränken sowie den Status quo der Vorhaben im Detail:
Novellierung der F-Gase-Verordnung Der Umweltausschuss des
Europäischen Parlaments (ENVI) hat am 1. März einem Vorschlag
für die Novellierung der F-Gase-Verordnung zugestimmt, trotz
Bedenken zahlreicher Branchen-Organisationen, dass die
Vorschläge unrealistisch sind, eine Gefahr für die Wirtschaft
und die Gesellschaft darstellen und die Klimaziele gefährden.
Über diesen Entwurf wird Ende März 2023 im Plenum des
EU-Parlaments abgestimmt und es ist mit einer Zustimmung zu
rechnen. Würde auch der EU-Rat zustimmen, tritt die neue
F-Gase-Verordnung voraussichtlich im 4. Quartal 2023 in Kraft.
Abgesehen von einer schnelleren und stärkeren Reduzierung der in
der EU verfügbaren Kältemittelmengen haben einige Verbote
unmittelbare Auswirkungen auf die Betreiber von Kälte-, Klima-
und Wärmepumpenanlagen. Das käme auf Sie zu: • Verbot von
neuen stationären Kälteanlagen mit F-Gasen ab 2025 • Verbot
von Monoblock- und anderen in sich geschlossenen Klimaanlagen
und Wärmepumpengeräten mit F-Gasen ab 2026 • Verbot von
stationären Split-Klimaanlagen und -Wärmepumpen mit Füllmengen
von weniger als 3 kg F-Gase ab 2027 • Verbot von
Split-Klimaanlagen und Wärmepumpen mit F-Gasen mit Nennleistung
unter 12 kW ab 2028 • Beschränkung von Split-Anlagen mit
einer Nennleistung zwischen 12 kW und 200 kW auf Kältemittel mit
einem GWP unter 750 ab 2028 • Verbot von F-Gasen in
Split-Anlagen mit einer Nennleistung von mehr als 200 kW ab 2028
• Verwendungsverbot von F-Gasen mit einem GWP > 150 für Wartung
und Service an stationären Kälteanlagen (mit Ausnahme von
Chillern) ab 2024 • Verwendungsverbot von F-Gasen mit einem
GWP > 2500 für Wartung und Service an Klimaanlagen, Wärmepumpen
und Chillern ab 2024 • Aufgearbeitete oder recycelte F-Gase
mit einem GWP < 2500 können für Servicezwecke bis Ende 2029
verwendet werden PFAS-Verbot im Rahmen der REACH-Verordnung
Neben der F-Gase-Verordnung könnte auch die
EU-Chemikalienverordnung REACH den künftigen Einsatz von
fluorhaltigen Kältemitteln erschweren bzw. gänzlich unmöglich
machen. Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) hat am 7.
Februar den Vorschlag für ein Verbot der Herstellung, der
Verwendung und des Inverkehrbringens von Per- und
Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) veröffentlicht. Laut Definition
zählen auch die meisten derzeit verwendeten F-Gase zur
PFAS-Stoffgruppe. Ausnahmen sind R23, R32, R152a und R1132a.
Voraussichtlich 2025 kann mit einer Entscheidung der
Europäischen Kommission über diesen Vorschlag gerechnet werden.
Das PFAS-Verbot hätte laut Vorschlag nach einer Übergangszeit
von 18 Monaten folgende Auswirkungen: • Verbot von Neuanlagen
(Kälte-, Klima- und Wärmepumpenanlagen) mit F-Gasen (also etwa
Mitte 2027). Ausnahmen sind Anwendungen unterhalb -50 °C,
Autoklimaanlagen, Transportkühlung (fünf Jahre mehr Zeit). •
Der Einsatz von F-Gasen für Wartung und Service von Anlagen, die
vor dem Inkrafttreten installiert wurden, ist noch zwölf Jahre
erlaubt. Auch wenn es nicht so kommen muss, wozu Sie durch
Ihre Aktivitäten beitragen können: Stellen Sie sich darauf ein,
dass in wenigen Jahren keine bzw. kaum noch F-Gase eingesetzt
werden können. Kontakt Christoph Brauneis VDKF e.V.,
Kaiser Friedrich Straße 7, 53113 Bonn
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